Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat das Jahr 2020 zum internationalen Jahr der Pflegefachpersonen und Hebammen ernannt. Sie ruft die Regierungen weltweit dazu auf, Hebammen und Pflegefachpersonen zu fördern und ihr Potenzial besser zu nutzen. Auch in der Schweiz besteht Handlungsbedarf, wie die gemeinsame Medienmitteilung des Schweizerischen Hebammenverbands (SHV) und des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachpersonen (SBK) vom 10. Januar aufzeigt.
Pflegefachpersonen und Hebammen sind ein fundamentaler Teil der Gesundheitsversorgung. Sie machen weltweit die Hälfte der Gesundheitsfachpersonen aus. In vielen Ländern sind sie oft die einzig überhaupt erreichbaren Fachpersonen und sie übernehmen damit in der medizinischen Grundversorgung eine tragende Funktion. Schätzungen gehen davon aus, dass bis 2030 weltweit ein Mangel an 9 Mio. Pflegefachpersonen und Hebammen herrschen wird. Die WHO erkennt diese Problematik und hat darum das Jahr 2020 zum International Year of the Nurse and the Midwife (YONM) deklariert.
Mehr Gesundheit, mehr Gleichstellung und wirtschaftlicher Fortschritt
Die WHO fordert die Regierungen weltweit explizit dazu auf, in die Ausbildung und in bessere Arbeitsbedingungen für Pflegefachpersonen und Hebammen zu investieren. Ein Mangel an Pflegefachpersonen und Hebammen würde dazu führen, dass die nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDG) aus der UN-Agenda 2030 nicht zu erreichen sind. Das betrifft nicht nur direkt gesundheitsbezogene Ziele, sondern auch zahlreiche andere Ziele, wie etwa «Bekämpfung von Armut», «nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung», «Zugang zu sanitären Anlagen» und «Gleichstellung von Frauen und Mädchen».
Pflegefachpersonen und Hebammen erhöhen Qualität und senken Kosten
Pflegefachpersonen und Hebammen tragen wesentlich dazu bei, unnötige und kostspielige Interventionen zu reduzieren und die Versorgungsqualität und Patientensicherheit zu erhöhen, betont WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Gebreyesus in einem Interview mit der Zeitschrift «Krankenpflege». Dazu ist es aber notwendig, dass ausreichend Hebammen und Pflegefachpersonen ausgebildet werden und ihr Potenzial auch genutzt wird, nicht nur in der direkten Patientenversorgung, sondern auch in der interprofessionellen Zusammenarbeit und auf der Führungsebene von Gesundheitsinstitutionen und in der Gesundheitspolitik.
Handlungsbedarf auch in der Schweiz
Auch in der Schweiz wird ein steigender Fachkräftemangel prognostiziert. Genauso wie in vielen Ländern der Welt ist die Politik gefordert, Massnahmen zu ergreifen, damit eine professionelle Versorgung aller Patientinnen und Patienten in Zukunft gewährleistet ist. Die Alterung der Gesellschaft wird den Bedarf an Pflegeleistungen drastisch erhöhen. Aber auch am Lebensanfang besteht Handlungsbedarf. Knappe Stellenschlüssel im Spital verunmöglichen eine 1:1-Betreuung unter der Geburt. Eine interventionsarme, hebammengeleitete Geburt, die sich viele Frauen/Paare wünschen, wird noch zu wenig angeboten. Beim Personal zu sparen, wird langfristig zum Bumerang werden. Es braucht ein Umdenken und eine Investition in Pflegefachpersonen und Hebammen. Dazu gehört auch der Ausbau von Angeboten zur Gesundheitsförderung und Prävention.
Neue interprofessionelle Modelle zur Steigerung der Berufsverweildauer nötig
Eine grosse Herausforderung sowohl bei den Hebammen wie bei den Pflegefachpersonen stellt die tiefe Berufsverweildauer dar. Ein Hauptfokus muss daher auf die Arbeitsbedingungen gerichtet werden, denn diese sind in der Schweiz zu wenig attraktiv, sodass viele ausgebildete Fachkräfte den Beruf verlassen. Das ist auch eine der zentralen Forderungen der Pflegeinitiative. Es braucht dringend neue interprofessionelle Versorgungsmodelle, in denen alle Beteiligten in eigener fachlicher Verantwortung tätig sein können. Diese Kompetenzerweiterung bringt eine Attraktivitätssteigerung des Tätigkeitsfeldes, wirkt somit der zu kurzen Berufsverweildauer entgegen und hilft gleichzeitig, Kosten einzusparen. Solche innovative Versorgungsmodelle werden in einigen EU-Ländern bereits «gelebt» und stützen sich auf Erkenntnisse von international bewährten Modellen aus der Pflege- und Hebammenwissenschaft.
Es braucht Hebammen und Pflegefachpersonen in Führungspositionen in Politik und Verwaltung
Um die Herausforderungen an die Gesundheitsversorgung der Zukunft anzugehen, ist es notwendig, dass sich Pflegefachpersonen und Hebammen an Entscheidungsprozessen beteiligen können. Aus Anlass des International Year of the Nurse and the Midwife ruft die WHO die Staaten auch dazu auf, das Wissen und das Potenzial der beiden Berufe zu nutzen. «Ich ermutige alle Staaten, die noch keine Chief Nursing and Midwifery Officers haben, eine solche zu ernennen – auch die Schweiz. Diese spielen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von gesundheitspolitischen Strategien», sagte Tedros Adhanom Gebreyesus im Interview mit der Zeitschrift «Krankenpflege» des SBK.
Es sind politisch mutige Schritte zur Umsetzung neuer Modelle gefordert, denn die Themen des International Year of the Nurse and the Midwife gehen auch die Schweiz etwas an.
Weitere Informationen
- Interview mit WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhonom Gebreyesus in «Krankenpflege» 1/2020: https://www.sbk.ch/files/sbk/archiv_zeitschrift/docs/2020/2020_01/2001_DE_Hauptartikel_Year_of_the_nurse_mac_low.pdf
- Website SBK: sbk-asi.ch
- Website SHV: hebamme.ch
- Kampagnenwebsite WHO: https://www.who.int/campaigns/year-of-the-nurse-and-the-midwife-2020
- Kampagnenwebsite ICN: https://www.2020yearofthenurse.org/
- Kampagnenwebsite ICM: https://www.internationalmidwives.org/icm-events/international-year-of-the-midwife-and-the-nurse.html
- nursingnow.org
- pflegeinitiative.ch
Für Ihre Fragen stehen zur Verfügung:
SBK: Roswitha Koch, Leiterin Internationales und Vorstandsmitglied International Council of
Nurses, Tel. 076 342 04 06
SHV: Andrea Weber-Käser, Geschäftsführerin SHV, Tel. 031 332 63 40
Barbara Stocker-Kalberer, Präsidentin SHV, Tel. 079 754 86 60