Im Juni wurde nach einer fünfjährigen Erstellungsphase von der deutschen Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. die neu erarbeitete S3-Leitlinie zum Thema Sectio caesarea veröffentlicht. In die Erarbeitung involviert waren neben verschiedenen deutschen Fachgesellschaften und Fachverbänden auch das Institut für Qualitätssicherung und eine Klientinnenvertretung. Sowohl die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) wie auch der SHV haben aktiv mitgearbeitet, waren stimmberechtigt und bei der Veröffentlichung beteiligt. Autorinnen/Autoren und beteiligte Fachgesellschaften seitens der Berufsgruppe der Hebammen sind ausser dem SHV die Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e. V. und der Deutsche Hebammenverband e. V.
Die aufwendig erstellte und wissenschaftlich belastbare Leitlinie umfasst Definition und Klassifikation der Sectio caesarea sowie evidenzbasierte Handlungsempfehlungen für Aufklärung, Indikation, Zeitpunkt und Durchführung einer Sectio caesarea. Zusätzlich wird die Thematik von Folgeschwangerschaften und Geburtsmodus nach einer oder mehreren Sectiones aufgenommen.
Durch die interprofessionelle Erarbeitung der vorliegenden Leitlinie sollen v. a. Gynäkologinnen/Gynäkologen und Geburtshelfer/-innen, Hebammen, Kinder- und Jugendärztinnen/-ärzte, Neonatologinnen/Neonatologen sowie Anästhesistinnen/Anästhesisten über einheitliche und für die betroffenen Eltern wiedererkennbare Handlungsempfehlungen verfügen. Schwangere und ihre Angehörigen werden auf Basis eines breiten Expertenwisssens beraten und betreut, damit in einem gemeinsamen Entscheidungsfindungsprozess das ideale Vorgehen im individuellen Fall festgelegt werden kann.
In der Praxis werden besonders die Empfehlungen zum Zeitpunkt einer elektiven Sectio caesarea, die Beratung zum Geburtsmodus bei Beckenendlage oder bei Status nach Sectio sowie die Aussage in der Einleitung, dass eine Sectiorate über 15 % keinen günstigen Einfluss auf die mütterliche und neonatale Morbidität und Mortalität hätte und deshalb gut medizinisch begründet sein sollte, zu einer vertieften fachlichen Diskussion führen.
Die SGGG hat bereits eine Leitlinie zum Thema Sectio caesarea aus dem Jahr 2015, die ihre Gültigkeit behält. Es ist für Geburtshelfer/-innen und Hebammen in der Schweiz wichtig zu wissen, dass Leitlinien nebeneinander existieren können und es keine Verpflichtung gibt, sich an eine bestimmte Leitlinie zu halten. So steht nicht eine Leitlinie über der anderen. Im Haftpflichtfall werden Beklagte nachweisen müssen, dass sie nach den aktuellen «Standards of care» gearbeitet haben. Dazu können auch Leitlinien aus dem angloamerikanischen, französischen oder aus anderen Sprachregionen berücksichtigt werden. Je weiter eine durchgeführte Handlung von den aktuellen Leitlinien abweicht, desto mehr müssen die Beklagten dies in einem Haftpflichtfall logisch begründen.
Barbara Stocker Kalberer, Präsidentin SHV; Irène Dingeldein, Präsidentin SGGG; Thomas Eggimann, Generalsekretär SGGG; Prof. Dr. med. Daniel Surbek, Co-Klinikdirektor, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital Bern; Anne Steiner, Verantwortliche Qualität und Innovation SHV; Andrea Weber-Käser, Geschäftsführerin SHV