«Smarter medicine»: Diese fünf Behandlungen in der Geburtshilfe sind unnötig

Der gemeinnützige Verein «smarter medicine – Choosing Wisely Schwitzerland» setzt sich gegen medizinische Über- und Fehlversorgung ein, indem er Listen mit grundsätzlich unnötigen Behandlungen veröffentlicht. Der Schweizerische Hebammenverband hat nun eine Liste mit Behandlungen
erstellt. Darunter gehört das frühzeitige Durchschneiden der Nabelschnur, routinemässige Kaiserschnitte (auch bei Frauen mit früherem Kaiserschnitt) oder Dammschnitte bei vaginalen Geburten.
Interventionen bei einer Geburt können zu jedem Zeitpunkt nötig sein, aber auch potenziell
Schaden anrichten. Der Schweizerische Hebammenverband SHV ruft deshalb mit der
Publikation einer sogenannten «Top-5-Liste» dazu auf, solche Eingriffe sorgfältig abzuwägen
und nur einzusetzen, wenn diese einen Mehrwert bieten. Die Empfehlungen sollen Diskussionen auf Augenhöhe zwischen Frauen bzw. Paaren, Hebammen sowie Ärztinnen und Ärzten ermöglichen.

Top-5-Liste: Die fünf Empfehlungen auf einen Blick
1) Kein Durchschneiden der Nabelschnur vor der ersten Minute nach Geburt, ausser wenn
das Kind medizinische Hilfe braucht.
2) Keine künstliche Geburtseinleitung oder Kaiserschnitt planen vor der 39 0/7
Schwangerschaftswoche, ausser es gibt einen klaren medizinischen Grund dafür.
3) Keine routinemässigen Kaiserschnitte empfehlen oder planen, auch nicht bei Frauen mit
früherem Kaiserschnitt.
4) Keine Wehenunterstützung mit Medikamenten bei einer Geburt, ausser es gibt für die
Mutter oder das Kind einen medizinischen Grund.
5) Keine routinemässigen Dammschnitte bei vaginalen Geburten.

   zu den ausführlichen Empfehlungen sowie die Literaturangaben

 

Die Empfehlungen sind als Leitlinien zu verstehen, die eine gemeinsame
Entscheidungsfindung der Gesundheitsfachperson mit den Eltern über das Vorgehen
bewirken soll. Deshalb werden die Top-5-Listen auch in eine für Laien verständliche Sprache
übersetzt und veröffentlicht. Zudem sollen sich Patientinnen und Patienten auf ein
medizinisches Gespräch vorbereiten und beispielsweise Fragen zu den verschiedenen
Behandlungsmöglichkeiten, den Vor- und Nachteilen der empfohlenen Behandlung und
deren Wahrscheinlichkeit stellen.

Eine effizientere und nachhaltigere Medizin
Nach dem Motto «Weniger ist manchmal mehr» will der gemeinnützige Verein «smarter
medicine» die begrenzten Ressourcen in der Gesundheitsversorgung zum Wohle der
Patientinnen und Patienten effizient und gewinnbringend einsetzen. Nach dem Verband
für Physiotherapie ist der Schweizerische Hebammenverband der zweite
Gesundheitsberufsverband, der eine Top-5-Liste erarbeitet hat. 

   zum Artikel in der «Obstetrica»

 

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European Perinatal Health Report, 2015-2019

Am 15. November 2022 wurde der neue Euro-Peristat-Bericht veröffentlicht, ein europäisches Projekt, das vom Institut national de la santé et de la recherche médicale (Frankreich) koordiniert wird und im Jahr 2000 ins Leben gerufen wurde. Der Bericht enthält Statistiken zur perinatalen Gesundheit in Europa für den Zeitraum von 2015 bis 2019. Durch die Überwachung und Bewertung der perinatalen Gesundheit in Europa will Euro-Peristat unter Nutzung nationaler Datensysteme vergleichbare Daten und Analysen über die Gesundheit und Versorgung von Neugeborenen und Müttern erstellen. Alle 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie Island, Norwegen, die Schweiz und das Vereinigte Königreich sind vertreten. Zu den Highlights des Berichts:

– Die perinatale und neonatale Sterblichkeitsrate ist in Europa weiter gesunken, wenn auch weniger stark als in den Vorjahren, und in einigen Ländern sind die Raten gleich geblieben oder gestiegen.

– Die Raten für Frühgeburten und niedriges Geburtsgewicht variieren in Europa stark, sind jedoch in den meisten Ländern im Laufe der Zeit zurückgegangen.

– Die Kaiserschnittraten variieren stark und die Trends sind uneinheitlich.

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Auch in Zukunft ambulante Kaiserschnitte im Spital Zweisimmen

Das Spital Zweisimmen kann weiterhin ambulante Kaiserschnitte durchführen. Das hat der Kanton Bern auf Basis einer Evaluation der Berner Fachhochschule entschieden. Seit zwei Jahren ermöglicht ein Pilotprojekt der Maternité Alpine und des Spitals Simmental-Thun-Saanenland AG den schwangeren Frauen der Bergregion, einen ambulanten Kaiserschnitt im Spital Zweisimmen durchzuführen – trotz fehlender geburtshilflicher Abteilung. Dieses Angebot ist schweizweit einzigartig.

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So viel kostet ein Kaiserschnitt

Das Kantonsspital St. Gallen verlangt für eine Hüftoperation eines halbprivat versicherten Patienten CHF 12’645.–. Bei den Bündnern kostet der gleiche Eingriff gerade mal die Hälfte. Ähnlich grosse Diskrepanzen gibt es für einen Kaiserschnitt.

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Geplante Kaiserschnitte in Zweisimmen möglich

Seit dem 1. Juli ist es möglich, im Spital STS AG in Zweisimmen geplante risikoselektionierte Kaiserschnitte durchzuführen. Ende Juli hat eine Frau aus Gstaad als erste Mutter diese Möglichkeit genutzt. Die Zusammenarbeitsvereinbarung für die Pilotphase ist auf zwei Jahre beschränkt und wird unter der Führung der Gesundheits- und Fürsorgedirektion Bern wissenschaftlich evaluiert.

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Kaiserschnitt- und Dammschnittrate waren 2017 rückläufig

2017 wurden in Schweizer Spitälern und Geburtshäusern insgesamt 85 990 Entbindungen durchgeführt. Seit 2014 ist der Anteil der Kaiserschnittgeburten leicht zurückgegangen (–1,4 Prozentpunkte). Im europäischen Vergleich weist die Schweiz jedoch nach wie vor eine sehr hohe Kaiserschnittrate auf (32,3%).

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WHO-Empfehlungen zur Reduktion der Kaiserschnittrate weltweit

Am letzten Kongress der Internationalen Vereinigung für Gynäkologie und Geburtskunde im Oktober bedauerte die Weltgesundheitsorganisation die missbräuchliche Praxis des Kaiserschnitts weltweit und veröffentlichte Empfehlungen zur Reduktion dieses Eingriffs. Sie stützt sich dabei auf eine Reihe von Artikeln in «The Lancet», die aufzeigen, dass sich die Kaiserschnittrate in 15 Jahren weltweit fast verdoppelt hat.

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Einfluss der Sectio-Entbindung auf das Geburtsgewicht

Dass Neugeborene in den ersten zwei bis drei Tagen bis zu 7% ihres Geburtsgewichts verlieren, gilt als physiologisch und ist verbreitet. Sollten sie jedoch unter diese Grenze fallen, wird empfohlen, das Stillmanagement zu überprüfen und frühzeitig sinnvolle Massnahmen einzuleiten, um einem weiteren Gewichtsverlust entgegenzuwirken.

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